PLATTENBAU

Immer in Bewegung bleiben, sich permanent verändern, bloß nicht fassen lassen. Wenn jemand glaubt, du bist das, dann bist du im nächsten Augenblick eben dies. Spaß macht das, und Verwirrung stiftet es auch. Jan Delay, der mit bürgerlichem Namen Jan Phillip Eißfeldt heißt, ist so ein Taktiker der Veränderung. Musikalisch und namentlich. Eißfeldt, der Tausendsassa unter den Pseudonymträgern: Eizi Eiz, Boba Ffett, Spliff Richard, Alfred Hitzkopf, Curtis Icefeld, Flashdance. Festlegen lassen mochte sich der Hamburger nie; deshalb wechselt er, je nachdem ob er Chart-Hits produziert, als DJ Platten mixt, HipHop, Reggae oder Funk-Features macht, seine Namen wie Unterhosen. Mit den (Absoluten) Beginnern macht Eißfeldt als Eizi Eiz gleichermaßen ambitionierten wie unterhaltsamen HipHop; als Solokünstler Jan Delay hat er 2001 ein von der Kritik frenetisch bejubeltes Reggae-Album veröffentlicht. Wer glaubte, nur weil Jan Delay mit einer Coverversion von Nenas Hit »Irgendwie, irgendwo, irgendwann« (2000) hoch in die Charts geschossen war, hätte er seine Seele auf Nimmerwiedersehen an den Pop-Mainstream verkauft, sah sich getäuscht: Das Album »Searchin For The Jan Soul Rebels« formulierte Gesellschaftskritik, fragte sich, wo »all die Terroristen sind«, meinte damit freilich die RAF, keine radikalen Islamisten, und veräppelte die Deutschen: »Denn vor allem können die Babylonier nicht klatschen und tanzen.« Übel nahm ihm das keiner. Im Gegenteil: Das Album landete in den Media-Control-Charts zwischen Rammstein und Michelle. Wahrscheinlich weil man zu Off-Beat-Zeilen wie »Alles ist vergiftet!« so gut tanzen konnte. Fünf Jahre ist das her. Eine lange Zeit, in der der Mann mit der nasalsten Stimme des Landes mit den Beginnern weiter HipHop machte, aber nicht nur das. Er hat auch ein neues Solo-Album aufgenommen. Es heißt »Mercedes Dance« und wurde live eingespielt von seiner Band Disko No. 1. Produziert hat es der Routinier Matthias Arfmann. Es klingt also ziemlich fett. Und klar doch: Jan Delays Sound hat sich wieder gewandelt. »Mercedes Dance« ist eine waschechte Funkplatte, von Reggae keine Spur. Bläsersätze tröten, Backgroundchöre trällern, Bass und Gitarre imitieren Funkbands wie die Meters und Crusaders, allerdings auf technisch weniger hohem Niveau. Jan Delay schmeißt mit Discokugeln. Textlich ist dieses Album privater als sein Vorgänger, selbstreferentieller sowieso, und dockt insofern stärker an die Große-Klappe-Gesten deutschsprachigen Hip-Hops an. Wenn Jan Delay doch einmal politisch wird, schießt er eher ungenau aus der Hüfte: Zu Deutschland fällt ihm »Regeln vorschreiben« und »Riegel vorschieben« ein. Politklischees. Aber abgesehen davon, dass er nicht der Erste ist, dem es so geht - was soll er tun? Er mag es nun mal nicht besonders, das Land der »Kartoffeln«. Dafür mag er Rio Reiser, dessen Song »Für immer und dich« er liebevoll gecovert hat. Und Udo Lindenberg, den mag er auch, schon seit seiner Kindheit. So singen sie gemeinsam auf dem letzten Song der Platte durch die Nase: »Alles ist im Arsch, und alles ist am Ende«. Recht depressiv klingt das, bis zur dramatur...

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